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An jedem Tag ein bisschen Ewigkeit (German Writing)

An jedem Tag, ein bisschen Ewigkeit
[German Writing]
This Is About Loneliness. Everything Is.
Aus welchem Grund heraus sollte man schon leben
- und sterben -
wenn nicht aus Einsamkeit?

[2022/05/06]

Noch in der Dunkelheit alleine auf einen Berg hinaufsteigen. Dort, zwischen Felsen, im eisig-kalten Wind auf den Sonnenaufgang warten, auf das karge, weite Land, vereinzelt Seen dazwischen, Berge am Horizont, hinabsehen. Kein einziges Licht darin, keine andere Menschenseele weit und breit. Über Stunden auf tiefblau-weites Meer hinaussehen, sich darin verlieren, den Wolken endlos mit meinem Blick folgen. Am frühen Morgen, die Luft noch ganz kühl auf der Haut, einem Birkenhain, erstes Frühlingsgrün in den Zweigen, dazwischen Moos im Sonnenlicht zu meinen Füßen, hinab zum Ufer eines kleinen Sees folgen.

An all diesen, ganz verschiedenen Orten während meiner Reise bin ich für einen Augenblick zuhause. Mir ist, schon nach wenigen Tagen, als hätte ich eine Ewigkeit so verbracht, doch dabei keineswegs so, dass es mir unangenehm wäre oder ich es gar als eine Verschwendung empfinden würde. Vielmehr, als hätte ich Tausendes gesehen, hätte tausende Leben gelebt. An jedem Tag, ein bisschen Ewigkeit. Während ich dahingehe, mich unter Birkenzweigen verneige, der See etwas unterhalb zwischen den Bäumen im Sonnenlicht aufblitzt, gibt das taunasse Moos mit jedem Schritt etwas nach, federt sanft ein und aus. Schon gleich darauf wird es sein, als wäre nie jemand hier gewesen. Weder ich, noch ein anderer. Ich hinterlasse Spuren in der Welt, die kein anderer sehen kann. Spuren, die einzig mir und ihr, die ich vorfand, gehören. Es ist ein wenig, wie ich mir die Begegnung mit anderen Menschen immer vorgestellt habe. Ein kurzes Nachgeben, vielleicht aus Neugierde oder Mitleid heraus. Ich sinke als Gast hinein, dann trete ich hinaus, gehe voran und hinter mir atmet man sanft, vielleicht erleichtert auf, kann nun wieder frei und unbeschwert von mir sein. Keine Sorge, ich bleibe nicht lange, denke ich mir hier ebenso, wie wenn man mich in Arme schloss, ich für ein Abendessen am Küchentisch saß oder an jemandes Seite für eine Nacht in deren Bett schlief. Keine Sorge, ich bleibe nicht lange. Weder hier, noch anderswo. Ich glaube, ich wollte die Welt einfach Welt sein lassen; geschweige denn, dass es mir möglich gewesen wäre, mich ihr aufzudrängen. Irgendwann habe ich mich gefragt, welchen Sinn das mit anderen Menschen überhaupt haben könnte.

Während ich unterwegs bin, habe ich zwar eine vage Vorstellung von dem, das noch vor mir liegt, doch weiß ich nicht, wie es sich tatsächlich anfühlen wird, dort zu sein. Aber wenn ich angekommen bin, ist mir das Vergangene längst nicht minder vage und fremd, wie es das Zukünftige eben noch war. Letztlich scheinen sie beide, Erinnerung und Ahnung, nichts weiter als ein Traum zu sein; nur meiner selbst entsprungen. Vielleicht ist genau das das Wesen einer guten Reise. Das Gefühl unendlich weit gekommen zu sein; so weit, dass der jeder Aufbruch und jedwede Etappe längst fern zurückzuliegen scheinen und es unmöglich anmutet, all das noch einmal von Neuem an zu durchleben. Einzig bleibt, von dieser Reise, wer und wo ich heute bin. Ganz ohne, dass ich jemanden darauf festnageln könnte, weder mich, noch einen anderen; sie alle scheinen verschwunden. Anders als die, die sich wieder und wieder einem anderen anvertrauten, bin ich einzig in mir selbst zuhause gewesen.

Ich bin weit gekommen, sage ich mir, zu weit um dieselbe Strecke noch einmal gehen zu können, oder gar zu wollen. Doch nicht etwa, weil mir der Schritt in die Vergangenheit unmöglich wäre, sondern weil ich nicht fähig bin das, was zwischen damals und heute lag, erneut zu bewältigen. Es überstiege meine Kompetenz. Ich glaube, ob gut ist wo ich nun stehe, scheint nicht weiter wichtig, ist es doch alles, das mir für den Moment bleibt.

Ich glaube, ich würde nicht noch einmal leben wollen.

2022/05/21
An jedem Tag ein bisschen Ewigkeit (German Writing)
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